BGH Beschluss vom 04.06.2014, Az.: 2 StR 656/13 zur Belehrung des Zeugen vor dem Ermittlungsrichter
Der Zweite Senat des Bundesgerichtshofs hat mit seinem Beschluss vom 04.06.2014, der aktuell in allen Fachzeitschriften Aufmerksamkeit findet, eine seit langem umstrittene Frage aufgegriffen und vorangetrieben. Es geht um die Frage, wie genau ein Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter zu belehren ist.
Im Tenor des Beschlusses heißt es:
Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson ist nur dann zulässig, wenn dieser Richter den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und sich dabei auch auf die Zeugenaussage eines Ermittlungsrichters gestützt, der die Tochter des Angeklagten im Ermittlungsverfahren vernommen hatte. Später machte die Tochter von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Die Entscheidung des Zweiten Senats greift ein klassisches Problem im Bereich des Strafprozessrechts auf. Nach § 252 StPO ist es ausgeschlossen, die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zu verlesen, der in der Hauptverhandlung von seinem Recht Gebrauch macht, das Zeugnis zu verweigern. Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshof hat über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur ein Verlesungs- sondern auch ein Verwertungsverbot konstatiert, wonach etwa auch die Vernehmung der Vernehmungsperson über den Inhalt der vorherigen Vernehmung unzulässig sei. Einzige Ausnahme war insoweit der Ermittlungsrichter. Nach dem sogenannten Richterprivileg konnten Ermittlungsrichter als Zeugen über die Aussagen der nunmehr das Zeugnis verweigernden Personen im späteren Hauptverfahren vernommen werden. Dieses „Richterprivileg“ war in der Literatur seit jeher umstritten.
Der Zweite Senat setzt sich nun sehr ausführlich mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinander und stellt fest,dass er die dem Richterprivileg zu Grunde liegenden Ausgangsüberlegungen nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden ist, dass eine zu diesem Zeitpunkt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Erforderlich sei deshalb eine so genannte qualifizierte Belehrung, welche den Zeugen umfassend in die Lage versetzt, seine Aussagebereitschaft und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entscheiden.
Es wird einige Zeit vergehen, bis die anderen Senate auf die Anfrage des zweiten Senats reagieren. Bis dahin muss in der Praxis bei entsprechender Gelegenheit auf die Unsicherheiten der Verwertung einer unter den oben beschriebenen Umständen gemachten Aussage hingewiesen werden. Entscheidend dürfte dabei sein, welchem Senat des BGH das jeweilige Landgericht vorgeht.