OLG Bamberg vom 24.09.2014, Az.: 3 Ss 94/14 zu den Voraussetzungen eines gerechten Schuldausgleichs
In einer jedenfalls für den Leser recht unterhaltsamen Entscheidung des OLG Bamberg vom September diesen Jahres hat sich das OLG dazu erklärt, wann wegen besonderer, in der Persönlichkeit des Täters liegender Umstände die Notwendigkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB gegeben ist.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der mehrfach auch zu Freiheitsstrafen verurteilte Angeklagte war aufgrund eines Haftbefehls zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe inhaftiert worden. Er richtete daraufhin ein Schreiben an die zuständige Justizangestellte, indem er sich über die Festnahme erregte. Der Brief endete mit den Worten
Im Übrigen wollte ich noch mitteilen, dass bei uns im Moment die DUSCHLampe kaputt ist, aber ich gehe von einer baldigen Reparatur aus…
Der Angeklagte wurde daraufhin wegen Beleidigung vom Amtsgericht zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monante, vom Landgericht auf seine Berufung hin zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Wohl juristisch beraten entschuldigte sich der Angeklagte im Anschluss bei der Geschädigten, allerdings nur um zwei Monate später mit einem anderen Schreiben klar zu stellen, dass sich das Schreiben lediglich auf das „Sehr geehrte“ bezogen haben.
In der Revision wandte sich der Angeklagte nun gegen diese rechtliche Würdigung seiner literarischen Ergüße und hielt seine Zeilen in Ausübung seiner Meinungsfreiheit für gerechtfertigt. Das OLG fand dazu -auch in der Kürze- angemessene Worte:
Bei der inkriminierten Äußerung handelt es sich um eine reine Schmähung in Form einer Formalbeleidigung, bei der die Meinungsfreiheit von vornherein zurückzutreten hat (vgl…).
Juristisch interessant wird die Entscheidung im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Revision der Staatsanwaltschaft. Zwar sei die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters und nur in äußerst engen Grenzen angreifbar, insbesondere sei eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen, es handle sich jedoch um eine unvertretbar milde Strafe, die ihre Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nicht erfüllt.
Das Landgericht habe nicht nur verkannt, dass keine Enschuldigung des Angeklagten vorlag, sondern vielmehr übersehen, dass das Entschuldigungsschreiben tatsächlich einen weiteren Angriff auf den Achtungsanspruch der Verletzten darstellte. Sich bei einem mehrfach vorbestraften Täter am unteren Rand des Strafrahmens zu bewegen, sei nicht vertretbar.
Zwar hat das LG im Zusammenhang mit den gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkten dessen Vorleben, insbesondere seine zahlreichen Vorstrafen, erwähnt. Die Strafkammer hat aber keine entsprechende Gewichtung vorgenommen und aus dem Vorleben nicht die gebotenen Schlüsse gezogen. Denn andernfalls ist es nicht zu erklären, weshalb das LG von der Verhängung einer Freiheitsstrafe abgesehen und stattdessen nur eine – überdies – außerordentlich milde Geldstrafe ausgesprochen hat…
Weder Geldstrafen noch die Verhängung von Freiheitsstrafen konnten ihn auf den rechten Weg führen. Selbst (zusammengerechnet) langjähriger Strafvollzug hatte keinen läuternden Einfluss auf ihn.
Bei dieser Situation ist ersichtlich, dass das LG nicht nur eine unvertretbar milde Strafe verhängt, sondern zudem fehlerhaft die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB verneint hat. Denn bei Berücksichtigung der genannten Umstände, insbesondere der Tatsache, dass der Angekl. sich bislang durch die Vorstrafen völlig unbeeindruckt gezeigt hat, ist die Annahme des LG, es lägen keine besonderen Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten vor, welche die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf diesen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen, schlechterdings nicht mehr verständlich.
Die Entscheidung des OLG ist absolut vertretbar. Allerdings deutete das Oberlandesgericht an, dass der Angeklagte vor allem deshalb wütend war, weil er aufgrund einer langwierigen Verschubung von mehr als 100 Tagen und den damit einhergehenden Bedingungen fehlerhaft einem Untersuchungshäftling gleichstand und nicht wie ein Strafgefangener behandelt wurde. Es wäre durchaus interessant zu erfahren, was genau der Hintergrund dieser Verärgerung war, denn dies ist die einzige Stelle der Begründung des OLG, die den Leser nicht überzeugen kann und an der man das Gefühl bekommt, möglicherweise gerechtfertigter Ärger werde ergebnisorientiert übergangen.