OLG Koblenz Beschluss vom 15.01.2014, Az.: – 2 Ws 609/13 –
Das OLG Koblenz hat sich in einem Beschluss vom 15.01.2014 in erfreulicher Klarheit mit der Frage auseinandergesetzt, welche Verfahrensverzögerungen während des Vollzugs eines dinglichen Arrestes in das Vermögen des Beschuldigten noch hinnehmbar sind und wann die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschritten wird.
Mit Beschluss vom 07.03.2012 ordnete das AG Koblenz “zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüchen” den dinglichen Arrest in Höhe von über 130.000,00 EUR in das Vermögen des Beschuldigten an. Der Arrest wurde durch Pfändungen von Bankguthaben des Beschuldigten in Höhe von 110.000,00 EUR vollstreckt, dabei handelte es sich seinerzeit um das Gesamtvermögen des Beschuldigten.
Hiergegen wandte sich die Verteidigung mit Schriftsatz vom 27.03.2012, weiter begründet unter dem 04.04.2012. Die Beschwerde blieb mit Enscheidung des Amtsgerichts vom 16.04.2012 ohne Erfolg. Spätestens am 23.04.2012 lagen die Akten dem Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vor, die mit Schriftsätzen der Verteidigung vom 03. und 29. Mai 2012 weiter begründet wurden. Am 12.12.2012 erhob die Verteidigung eine Verzögerungsrüge, woraufhin die Kammer am 19.12.2012 über die Beschwerde entschied. Die Beschwerde hatte in Höhe von knapp 20.000,00 EUR Erfolg, weshalb die Staatsanwaltschaft am 04.03.2013 die übersteigenden Beträge freigab.
Mit Schriftsatz der Verteidigung vom 07.02.2013 wurde weitere Beschwerde eingelegt, der die Strafkammer unter dem 19.02.2013 nicht abgeholfen hat. Der Vorsitzende veranlasste am gleichen Tag, dass die Akten der Staatsanwaltschaft Koblenz zur Weiterleitung an das OLG Koblenz übersandt werden.
Am 27.09.2013 hat die Generalstaatsanwaltschaft die Akten dem Senat zur Entscheidung über die weitere Beschwerde vom 07.02.2013 vorgelegt. Die Verteidigung nahm unter dem 04.11.2013 zum Votum der Generalstaatsanwaltschaft vom 23.09.2013 Stellung, woraufhin der Senat nach dem aktuellen Ermittlungsstand nachfragte. Mit Schreiben vom 06.01.2014 wurde mitgeteilt, dass der Ermittlungsstand unverändert sei.
Das Oberlandesgericht Koblenz hat mit deutlichen Worten festgestellt, dass eine “gravierende Verfahrensverzögerung” vorliegt, die zur Unverhältnismäßigkeit der Fortdauer des dinglichen Arrestes führt. Das Gericht hat sich dabei nicht einmal mit der Frage befasst, ob und mit welchem Grad der Verdacht besteht, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz vorliegen oder nur deshalb nicht vorliegen, weil Ansprüche Verletzter dem Verfall entgegenstehen. Ebenso hat es die Frage ausdrücklich dahinstehen lassen, ob ein Arrestgrund vorliegt. Denn selbst wenn beide Voraussetzungen vorlägen, käme eine Aufrechterhaltung des Arrestes nach diesem Verfahrensgang nicht in Betracht. Dies wird wie folgt begründet:
Seit über zwei Jahren beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft Koblenz in vorliegender Sache allein mit dem dinglichen Arrest statt mit der Entscheidung über die Anklageerhebung. Das Ermittlungsverfahren wird insoweit seit zweieinhalb Jahren überhaupt nicht betrieben, was bei Anlegung von Zweitakten zur Durchführung der Beschwerdeverfahren gegen die Arrestanordnung unproblematisch vermeidbar gewesen wäre. Durch den langen Zeitraum völligen Verfahrensstillstands unterscheidet sich der Fall von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2006 – 2 BvR 583/06 – (juris) zugrunde lag. Dort war es zwar auch zu Verfahrensverzögerungen gekommen, die jedoch lediglich etwa ein Drittel der im Zeitpunkt der letzten fachgerichtlichen Entscheidung verstrichenen Arrestdauer ausmachten. Ebenso verbieten sich Vergleiche mit Fällen zweieinhalbjähriger Arrestdauer, die dem Umfang und der Schwierigkeit der teilweise im Ausland zu führenden Ermittlungen geschuldet war (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).
Selbst bei Anwendung “großzügiger Maßstäbe” sei der Stillstand des Hauptsacheverfahrens mit den einhergehenden einschneidenden Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen der Eigentumsrechte des Beschuldigten mit dem Übermaßverbot nicht mehr vereinbar.
Die Entscheidung des OLG Koblenz ist bemerkenswert. Nicht nur deshalb, weil es völlig unverständlich ist, wieso die Strafverfolgungsbehörden bei dieser Sachlage einen Arrest in das Gesamtvermögen des Beschuldigten über zwei Jahre aufrecht erhalten, ohne in der Sache zu ermitteln, sondern vor allem, weil das OLG äußerst deutlich aufzeigt, dass es ab einem gewissen Punkt in einem Verfahren nicht mehr auf die Frage eines tatsächlich bestehenden Tatverdachts ankommt, sondern nur noch darauf, dass Verfassungsprinzipien verletzt wurden und dies zu Konsequenzen führen muss. Es ist zu begrüßen, dass das OLG das Übermaßverbot nicht nur floskelhaft in Bezug nimmt, sondern hierauf gestützt zu seiner Entscheidung findet.