201402.21
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OLG Köln Beschluss vom 02.09.2013 – Az.: 2 Ws 311/13 – Dinglicher Arrest zur Rückgewinnungshilfe

Das OLG Köln hat sich in einem Beschluss vom 02.09.2013 mit der Frage befassen müssen, wie es sich auswirkt, wenn das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständige Gericht mitteilt, dass es in den nächsten 1,5 Jahren nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließen können wird.

Der Entscheidung des OLG liegt ein komplexes Wirtschaftsstrafverfahren zugrunde, dessen Sachverhalt für die hier relevanten Fragen wie folgt verkürzt zusammengefasst werden kann. Unter dem 02.03.2011 brachte das Amtsgericht mehrere dingliche Arreste in Millionenhöhe in die Vermögen der Angeschuldigten zur Sicherung von Ansprüchen der durch die vorgeworfenen Straftaten Verletzten und des staatlichen Anspruchs auf Verfall von Wertersatz aus. Am 22.03.2011 wurden diese vollstreckt. Die gegen die Arrestbefehle eingelegte Beschwerde der Angeschuldigten verwarf das Landgericht unter dem 07.02.2012, mithin knapp ein Jahr nach Einlegung der Beschwerden aus März und April 2011. Das Gericht führte aus, dass die Geschädigte ihre Ansprüche nach Akteneinsicht binnen sechs bis zwölf Monaten gerichtlich werde geltend machen können. Der als Geschädigten in Betracht kommenden Sparkasse wurde unter dem 02.04.2012 Akteneinsicht gewährt.

Am 31.10.2012 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage, am 26.11.2012 beantragt die Sparkasse erneut Akteneinsicht. Die Anklage ging am 20.11.2012 beim Landgericht ein.

In März bzw. April 2013 beantragten die Angeschuldigten die Arrestbefehle aufzuheben, da zwischenzeitlich keine Geltendmachung der Ansprüche durch die Sparkasse erfolgte. Das Landgericht gewährte daraufhin unter dem 15.04.2013 die am 26.11.2012 beantragte neuerliche Akteneinsicht und teilte mit, dass ab dem 30.04.2013 jederzeit mit einer Entscheidung über die Aufhebungsanträge zu rechnen sei.

Am 03.05.2013 beantragte die Sparkasse eine Verurteilung der Angeschuldigten zur Zahlung ihrer Schäden im Adhäsionsverfahren. Am 10.05.2013 hob das Landgericht sämtliche Arrestbeschlüsse auf und begründete dies mit fehlendem Sicherstellungsbedürfnis der Sparkasse, weil sie über zwei Jahre versäumt habe, ihre Ansprüche zivilrechtlich zu sichern.

Auf Anfrage des OLG teilte das LG mit, dass mit einer Förderung des Verfahrens im Jahr 2014 aufgrund der Belastungssituation der Kammer nicht zu rechnen sei.

Die Staatsanwaltschaft wandte sich letztlich gegen die Aufhebung eines einzigen Arrestbefehls. Sie weist zum einen darauf hin, dass das Sicherungsbedürfnis der Sparkasse weiterhin bestehe.  Zum anderen habe die vorzunehmende Gesamtabwägung nur die Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen. Dass mit einer zeitnahen Eröffnung des Hauptverfahrens aktuell nicht gerechnet werden könne, habe außer Betracht zu bleiben.

Dieser sehr interessante Sachverhalt stellte das OLG vor zwei zu beantwortende Fragen: Zum einen musste geklärt werden, ob ein Sicherungsbedürfnis der Sparkasse nach so langer Zeit der vorläufigen Sicherung der Vermögenswerte der Angeschuldigten gegeben sein kann, zum Anderen, auf welchen Zeitpunkt es für die Gesamtabwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ankommt.

In Bezug auf das Sicherungsinteresse der Sparkasse ist das OLG dem LG entgegengetreten und hat ausgeführt, dass nach wie vor von einem fortbestehenden Sicherungsinteresse der Sparkasse auszugehen sei. Dies sei durch den Adhäsionsantrag und die beantragte Zulassung nach §§ 111g, 111h StPO hinreichend belegt. Das OLG wies dabei darauf hin, dass die vom LG gewählte Formulierung, der Sparkasse sei es nach Akteneinsicht binnen  sechs bis zwölf Montan möglich, ihre Ansprüche zu begründen, keine Rechtswirkung einer gesetzlichen Ausschlussfrist habe, nach deren Ablauf ein Sicherstellungsinteresse notwendig nicht mehr angenommen werden könne.

Die Begründung, mit der das OLG dann aber dazu kommt, dass die Aufhebung der Beschlüsse rechtmäßig war, überrascht. Das Gericht führt aus, die Aufrechterhaltung sei unverhältnismäßig, weil sich die Verzögerung des Verfahrens weder auf Umstände in der Person der Angeschuldigten, noch der Komplexität der Angelegenheit sondern alleine auf die Auslastung der Wirtschaftsstrafkammer zurückführen lasse. Es folgen dann einzelfallbezogene Ausführungen der Richter, wann mit einem Fortgang des Verfahrens zu rechnen sei. Der Beschluss endet damit, dass die Prognose, das Verfahren werde auch 2014 nicht betrieben werden können, bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen ist, mithin auch zukünftige, absehbare Ereignisse im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung beachtet werden dürfen.

Der Verfahrensstillstand seit Einreichung der Anklageschrift vor neun Monaten ohne Aussicht auf einen Beginn der Hauptverhandlung noch im Jahr 2014 ist auch bei Anlegung großzügiger Maßstäbe in Anbetracht des Charakters einer vorläufigen Sicherungsmaßnahme aufgrund eines Tatverdachts mit den einhergehenden einschneidenden Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen der Eigentumsrechte der Angeschuldigten mit dem Übermaßgebot nicht mehr zu vereinbaren, so dass auch ein von der Staatsanwaltschaft angeregtes Zuwarten auf eine Entscheidung der … Zivilkammer des Landgerichts K. über die dort erwirkten Arreste, die ohnehin keinen messbaren Einfluss auf die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit aufgrund unzureichender Förderung des Verfahrens haben kann, nicht in Betracht kommt.

Die Entscheidung des OLG ist bemerkenswert: Sie bejaht ein Sicherungsbedürfnis des Geschädigten, lässt dieses Sicherungsbedürfnis bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Sicherungsmaßnahme aber anschließend völlig außer Betracht. Stattdessen wird die Aufhebungsentscheidung bei Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses des Geschädigtem mit dem Argument der mangelhaften Verfahrensförderung auf Seiten der Justiz bejaht. Das hat zur Folge, dass sich die geschädigte Sparkasse die mangelhafte Verfahrensbetreibung der Justiz auf ihr Sicherungsbedürfnis “anrechnen” lassen muss.

Man mag schon Zweifel haben, ob das Sicherungsbedürfnis der Sparkasse nach zwei Jahren tatsächlich noch gegeben war und ob man nicht schneller eine zivilrechtliche Geltendmachung der Ansprüche hätte anstrengen müssen. Bejaht man gleichwohl das Sicherungsbedürfnis, so wie es das OLG getan hat, ist schwer begreiflich, wieso sich die Geschädigte die Verfahrensverzögerungen zurechnen lassen muss, die ausschließlich auf die (mangelhaften) Kapazitäten der Justiz zurück zu führen sind. Es wäre wünschenswert gewesen, hätte das OLG wieso es Lasten der Geschädigten gereichen soll, wenn ihr von der Justiz nicht die Mittel zur Verfügung gestellt werden, ihre Ansprüche gerichtlich zu begründen. Außerdem fehlt eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich ein bestehendes Sicherungsbedürfnis auf die Frage der Verhältnismäßigkeit des dinglichen Arrestes auswirkt. Es scheint so, als sei das Sicherungsbedürfnis in diesem Zusammenhang überhaupt nicht berücksichtigt worden.